Gelebte Verfassung

Parteien bilden das Bindeglied zwischen Bürger*innen und den politischen Institutionen. Die amerikanische Militärregierung ermutigte deswegen die Bevölkerung bereits 1945 Parteien zu gründen. Dabei achtete die Besatzungsmacht darauf, dass die Parteiprogramme demokratische Grundsätze einhielten.
Diese Parteien schaffen mit ihren Fraktionen im Landtag die Grundlage für die Ausarbeitung von Gesetzen. Die Bayerische Verfassung sah in der Legislative zwei Kammern vor. Neben dem Landtag mit den Parteien existierte bis 1999 der Bayerische Senat mit Vertreter*innen von Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen. Überdies kann die Bevölkerung einen direkten Einfluss auf Gesetzgebung durch Volksbegehren und -entscheide nehmen.
Bayern betonte immer seine Staatlichkeit in der föderal geprägten Geschichte Deutschlands. Viele bayerische Politiker*innen waren deshalb mit dem 1949 erarbeiteten Grundgesetz nicht einverstanden. Bei der Debatte ging es aber nicht um die Zugehörigkeit Bayerns zu Deutschland, sondern um die Ausgestaltung und nachhaltige Sicherung der Staatlichkeit der Länder im Verhältnis Länder und Bund. Deshalb verweigerte die Mehrheit im Landtag seine Zustimmung zum Grundgesetz.

x
Ministerpräsident Hans Ehard im alten Plenarsaal des Maximilianeums, 1949

Am 16. Dezember 1946 trat der erste demokratisch gewählte Bayerische Landtag seit 13 Jahren zusammen. Die nächsten Jahre waren geprägt von den Problemen der Ernährungslage, der Wohnungsnot, der Flüchtlingsproblematik und der Entnazifizierung. Außerdem standen viele Entscheidungen zur Neuerrichtung staatlicher Institutionen an.

x
Wahlplakat der CSU, 1946

Die CSU setzte in ihrer Politik nach 1946 vor dem Hintergrund der Schrecken und Menschenverachtung der NS-Diktatur besonders auf ihr christliches Menschenbild und konnte damit eine breite Wählerschicht ansprechen. Sie stellte sowohl bei der Verfassunggebenden Versammlung als auch im ersten Landtag die absolute Mehrheit der Abgeordneten.

x
Wahlplakat der SPD, 1946

Die SPD stellte mit Wilhelm Hoegner nicht nur den zweiten von der US-Besatzung ernannten Ministerpräsidenten, sondern nahm mit ihm auch starken Einfluss auf die Bayerische Verfassung von 1946. Der Bereich „Wirtschaft und Arbeit“ ist von sozialdemokratischen Werten geprägt.

x
Wahlplakat der KPD, 1946

Bereits am 1. November 1945 ließ die US-Besatzung die KPD als erste Partei in Bayern zu. Die Partei fand wenig Resonanz. Sie sah in einer eigenen Bayerischen Verfassung eine Gefahr für die Einheit Deutschlands. 1956 wurde sie bundesweit verboten.

x
Wahlplakat der FDP, 1946

Die FDP lehnte den bayerischen Verfassungsentwurf 1946 ab. Sie wandte sich vor allem gegen eine vom Staat gelenkte Wirtschaftsordnung und trat für den freien Wettbewerb ein. Außerdem lehnte sie eine starke bayerische Eigenstaatlichkeit ab.

x
Wahlplakat der Bayernpartei, 1948

Die Bayernpartei warb vor allem für einen unabhängigen bayerischen Staat und wandte sich gegen ein zentralistisches Deutschland. Von der US-Besatzungsmacht erst 1948 landesweit zugelassen, gewann sie in den 1950er Jahren mit ihrem Programm vor allem Stimmen ehemaliger CSU-Wähler*innen.

x
Wahlplakat der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV), 1946

Die Partei WAV wurde von Alfred Loritz 1945 in München gegründet. Sie inszenierte sich als neue, von NS-Verbrechen unbelastete Partei und richtete sich an den Mittelstand. Auch sie lehnte wie alle kleineren Parteien die Bayerische Verfassung von 1946 ab. Die Vereinigung löste sich 1951 aufgrund interner Machtkämpfe auf.

x
Einzug des Bayerischen Landtags ins Maximilianeum, 1949

Der Landtag tagte anfangs in der Münchner Universität, da das alte Landtagsgebäude an der Prannerstraße zerstört war. Später zog das Parlament in den Sophiensaal der Oberfinanzdirektion. Am 12. Januar 1949 bezog der Landtag als Mieter Räume im Maximilianeum.

x
Erster Zusammentritt des Bayerischen Senats, 1947

Die Bayerische Verfassung von 1946 sah neben dem Landtag eine zweite Kammer vor: den Bayerischen Senat. Er trat zum ersten Mal 1947 in der großen Aula der Münchner Universität zusammen. Der Senat setzte sich aus Vertreter*innen von wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und kommunalen Körperschaften zusammen und sollte jenseits der Parteien zum Interessenausgleich beitragen. Im Verfassungsausschuss hatten sich SPD und CSU auf diese Form geeinigt, obwohl die anderen Parteien dagegen stimmten.

x
Schmuckblatt zur Erinnerung an den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, 1948

Der Verfassungskonvent für die Vorarbeiten zu einer Bundesverfassung fand vom 10. bis 24. August 1948 auf Einladung der bayerischen Staatsregierung auf Herrenchiemsee statt. Die Delegierten aus den westdeutschen Ländern erarbeiteten einen Verfassungsentwurf für die Bundesrepublik Deutschland. Die Staatsregierung wollte damit die Staatlichkeit der Länder und den föderalen Charakter des künftigen Bundes stärken.

x
Ablehnung des Grundgesetzes im Bayerischen Landtag, 1949

Die CSU lehnte mit ihrer Mehrheit im Landtag das Grundgesetz ab. Um den Einfluss des Bundes abzuschwächen, forderte sie etwa die Gleichberechtigung des Bundesrats bei der Gesetzgebung und eine stärkere Rolle der Länder bei der Regelung der Finanzen. Die Ablehnung erfolgte jedoch bei gleichzeitiger Billigung, für den Fall, dass zwei Drittel der anderen Länder dem Grundgesetz zustimmen würden.

x
Verfassungsquiz

Welche Paragraphen stehen in der Bayerischen Verfassung? Einige der Artikel stammen aus dem Grundgesetz, andere aus der Bayerischen Verfassung. Manche haben wir uns einfach ausgedacht.