Laut und präsent! Willensbekundung in der Öffentlichkeit
Spätestens die Studentenbewegungen von 1968 haben Formen des öffentlichen politischen Protests etabliert. Demonstrationen tragen zur Verstärkung öffentlicher Aufmerksamkeit und Diskussion bei. Die Anlässe waren und sind sehr unterschiedlich: Protest gegen etwas, wie z.B. bei der Anti-Atomkraft-Demo in Gundremmingen 1986, Protest für etwas, wie z.B. die Pulse-of-Europe-Bewegung der letzten Jahre oder solidarische Demonstrationen, wie z.B. gegen den Vietnamkrieg in München 1972.
Die Willensbekundung der Bevölkerung ist ein zentrales Element der Demokratie. Neben Wahlen können Bürger*innen auch weitere Mittel nutzen: Petitionen bei Parlamenten einreichen, vor Gericht ziehen oder eben protestieren, um auf Missstände und Probleme in der Gesellschaft und Politik aufmerksam zu machen. Wichtig für diese Willensbekundung ist die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit. Sie garantieren, dass sich Menschen zusammenfinden können, um frei über bestimmte Themen diskutieren zu können.
Demonstrationen sind nicht immer Proteste gegen etwas, sondern können auch Unterstützung für etwas darstellen. Dies zeigt das Beispiel “Pulse of Europe”. Die Bewegung wurde 2016 gegründet und setzt sich nach eigenen Angaben für eine offene, friedliche und demokratische Europäische Union ein.
2020 kam der Amerikaner George Floyd bei einer Polizeikontrolle in den USA gewaltsam zu Tode. In der Folge regten sich weltweit Demonstrationen gegen Rassismus. Die Demonstrant*innen forderten eine Bekämpfung des Rassismus, der Persons of Color benachteiligt, also Menschen, die nicht als „weiß“ gelesen werden.
Als 1989 ein Frauenarzt in Memmingen vor Gericht stand, weil er Abtreibungen durchgeführt hatte, organisierten Frauenrechtsorganisationen Demonstrationen gegen §218 des Strafgesetzbuchs, der den gezielten Abbruch von Schwangerschaft unter Strafe stellt. Seit den 1970er Jahren demonstrierten viele Frauen immer wieder für das Recht, selbst über ihren Körper zu entscheiden.
Sich solidarisch zeigen, also gemeinschaftlich für die Belange von jemand eintreten – auch das ist eine Form der Willensbekundung und des Protests. Am Antikriegstag der Friedensbewegung am 1. September 1972 fanden in München Demonstrationen gegen die Kriegsführung der USA in Vietnam statt.
Im April 1986 explodierte der Atomreaktor in Tschernobyl. In Bayern erlangte dadurch die Anti-Atomkraft-Bewegung besonders in Wackersdorf starken Zulauf sowie in Gundremmingen: Auf einer Demonstration am 22. Juni 1986 fordern hier über 3000 Bürger*innen aus der Umgebung die Abschaltung des Kernkraftwerks.