Queere Menschen in Bayern

„Queer“ ist ein aus den Englische übernommenes, neueres Wort für Menschen, die nicht in die traditionellen Vorstellungen von Geschlecht, Liebe oder Sexualität passen. Die Mehrheit der Gesellschaft versuchte lange, die queere Minderheit in diese Schablonen zurückzudrücken oder an den Rand zu drängen.
Im deutschen Kaiserreich galt z.B. nach §175 Strafgesetzbuch Homosexualität als Straftat. Der Nationalsozialismus verschärfte die Verfolgung von Homosexuellen. Dies wurde erst spät aufgearbeitet, diskriminierende Gesetze überdauerten noch Jahrzehnte. 1994 wurde §175 endgültig gestrichen.
Obwohl die Akzeptanz von queeren Menschen in den letzten 50 Jahren langsam gestiegen ist,erleben sie immer wieder Diskriminierung und Gewalt. Das gilt bis in die Gegenwart hinein: Ein Beispiel ist der Kampf von transgeschlechtlichen (trans*) Personen um Anerkennung vor dem Gesetz.
Doch Lücken können auch Freiräume sein: Queere Communities bauten sich eigene Subkulturen und Strukturen auf, in denen füreinander gesorgt und aus denen heraus für Freiheit gekämpft wurde.

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August Fleischmann: Der Freundling, 1901

Obwohl Homosexualität laut §175 des Strafgesetzbuchs strafbar war, gab es zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs queere Netzwerke. Queere Menschen verwendeten damals andere Begriffe für ihre Identitäten als heute. Doch bereits um 1900 beschrieben Sexualwissenschaftler Modelle von Geschlecht, in denen es mehr als „Mann oder Frau“ gab.

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Sexualforscher Magnus Hirschfeld, 1928

Der homosexuelle Sexualforscher und Aktivist Magnus Hirschfeld (1868-1935) setzte sich für die Duldung von queeren Menschen ein. Er leitete seit 1919 das „Institut für Sexualwissenschaft“ in Berlin, mit Archiv und Beratungsstelle für queere Menschen. Dort wurden die ersten geschlechtsangleichenden Operationen der modernen Medizin durchgeführt.

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Büste von Magnus Hirschfeld bei NS-Bücherverbrennung, 1933

Als jüdischer Homosexueller war Magnus Hirschfeld für die völkische Bewegung eine Hassfigur. 1920 überlebte er einen antisemitischen Anschlag in München, 1932 ging er ins Exil. Im Mai 1933 zerstörten NS-Studenten das “Institut für Sexualwissenschaft”, die einzigartige Bibliothek wurde verbrannt.

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Flugblatt „Homosexuelle Aktion München“, 1973

Laut §175 des Strafgesetzbuchs war Homosexualität strafbar. Erst 1969 wurde er entschärft, Strafe sollte nur noch bei Verkehr mit Nicht-Volljährigen verhängt werden können. In den 1970er Jahren begann eine lautstarke Lesben- und Schwulenbewegung, welche auf Demonstrationen und in Flugblättern Gleichberechtigung und Akzeptanz forderte.

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Provisorischer Gedenkstein für Homosexuelle in der Gedenkstätte Dachau, 1985

Vom NS-Regime verfolgte Homosexuelle erfuhren auch nach 1945 Ausgrenzung. Die Homosexualität mancher KZ-Häftlinge wurde in der Erinnerung lange verschwiegen. Erst in den 1980er Jahren konnten queere Gruppen bewirken, dass Denkmäler für diese Opfergruppe auch in den KZ-Gedenkstätten aufgestellt wurden.

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Demonstration gegen die Aids-Politik Peter Gauweilers (CSU), 1987

Die Großdemonstration gegen die bayerische Aids-Politik erlangte bundesweite Aufmerksamkeit. Trotz weitreichender Kritik blieb Peter Gauweiler (CSU) bei dem Maßnahmenkatalog in der Aidsbekämpfung: Dazu zählten u.a. Zwangstests an sogenannten Risikogruppen sowie Berufsverbote. Erfolge im Kampf gegen Aids zeigten sich erst, als die Politik mit Einrichtungen wie der Münchner Aids-Hilfe zusammenarbeitete.

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Lücken im "Transsexuellengesetz"

Das „TSG“ ermöglicht trans* Personen seit 1980 die Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag. Es fordert jedoch Gutachten, die oft mehr als 1000€ kosten und als übergriffig empfunden werden. Das Bundesverfassungsgericht hat einige Absätze bereits gestrichen, bis 2011 forderte das TSG Zeugungsunfähigkeit.

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Christopher Street Day in Amberg, 2021

Jedes Jahr findet der Christopher Street Day (CSD) statt: in Großstädten wie München, aber immer mehr auch in Städten wie Amberg und kleineren Ortschaften. Mit Umzügen und Paraden demonstrieren queere Menschen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung und für ihre Rechte.

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Poster der Rosa Liste München, 1996

1989 gründeten 36 Personen die Wähler*innenintiative Rosa Liste, um die Interessen von queeren Menschen zu vertreten. 1996 zog sie in den Münchner Stadtrat ein. Der Name „Rosa Liste“ wurde gewählt, um ihn positiv umzudeuten. Bis in die 1980er Jahre sammelte die Polizei unter diesem Titel Daten über Homosexuelle.

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„#sagteslaut!“, Video vom Bundesverband Trans*, 2019

Trans*, Inter* und nichtbinäre Personen kämpfen heute für Grundrechte, Entschädigungen und Sichtbarkeit. Und dafür, dass die nächste Generation offen leben kann.