Parteien, Vereine und politische Teilhabe

Armut, fehlende Schulbildung und schlechte Wohn- und Lebensumstände waren für viele Menschen im 19. Jahrhundert Alltag. Um etwas gegen diese Probleme zu unternehmen, schlossen sich immer mehr Menschen in Vereinen zusammen. Dabei entstanden zum Beispiel Wohlfahrtsverbände, aber auch Kultur-, Freizeit-, Arbeiter- und Volksbildungsvereine. Aus den Gruppierungen im bayerischen Landtag und in Verbindungen mit Vereinen und Verbänden entwickelten sich die politischen Parteien. Dabei bildeten sich drei große Strömungen und damit verbundene Interessen: Die Patrioten bzw. das Zentrum hatten den meisten Rückhalt in der bayerischen Landbevölkerung, im Klerus und dem katholischen Bürgertum und Adel. Die Liberalen hatten vor allem Anhänger im Wirtschaftsbürgertum und die Sozialdemokraten vertraten die Interessen der mit der Industrialisierung stark wachsenden Arbeiterschaft. In Vereinen und Parteien traten die Mitglieder für gemeinsame Ziele ein und unterstützten sich gegenseitig.

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Karte über die politische Orientierung in Bayern, 1849

Die Karte zeigt die Ergebnisse der Landtagswahlen 1849. Während die Regierung und das konservative Lager (auf der Karte lila und rosa) für die Eigenständigkeit Bayerns eintraten, plädierte das liberale Lager (gelb und orange) für die politische Einigung der deutschen Länder. Der Zuschnitt der Wahlkreise beeinflusste das Wahlergebnis zugunsten der Regierung.

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Ludwig von Arco-Zinneberg, Mitbegründer des Bayerisch-Patriotischen Bauernvereins Tuntenhausen, ohne Datum

In vielen bayerischen Gemeinden gründeten sich in den 1860er Jahren politische Bauernvereine, die sich für den Fortbestand der Eigenständigkeit Bayerns, die katholische Kirche und die Interessen der Landwirte einsetzten. Der Bayerisch-Patriotische Bauernverein Tuntenhausen unterstützte unter seinem Mitbegründer Ludwig von Arco-Zinneberg (1840–1882) die Patriotenpartei gegen Liberalismus und Sozialismus.

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Karl Brater, Mitbegründer der Bayerischen Fortschrittspartei, 1865

Karl Brater (1819–1869) vertrat die Liberalen ab 1859 als Abgeordneter im Bayerischen Landtag. 1863 begründete er mit Gleichgesinnten in Nürnberg die liberale Bayerische Fortschrittspartei. Sie setzte sich für einen kleindeutschen Nationalstaat unter Preußens Führung ein, die Zurückdrängung der Kirche und eine freie Entfaltung von Handel, Gewerbe und Industrie .

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Georg Ritter von Vollmar, Erster Vorsitzender der bayerischen SPD, um 1890

Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei trat für die Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Bedingungen der Arbeiter ein. Sie forderte beispielsweise das gleiche, freie und geheime Wahlrecht, die Trennung von Kirche und Staat und ein Verbot von Kinderarbeit. In Bayern baute Georg Ritter von Vollmar (1850–1922) den Landesverband der Partei auf. Ihre Schwerpunkte hatte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in den industriellen Zentren, vor allem in Augsburg, Nürnberg und München.

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Anita Augspurg und ihre Mitstreiterinnen vom Verband für Frauenstimmrecht, um 1896

Frauen durften Ende des 19. Jahrhunderts nicht wählen, keinen politischen Vereinen beitreten und nicht an politischen Versammlungen teilnehmen. Anita Augspurg (1857–1943, links) und viele andere Frauen kämpften für mehr Gleichberechtigung und gründeten beispielsweise den Bayerischen Landesverein für Frauenstimmrecht.

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Mitgliedskarten des Münchner Turnvereins, heute TSV 1860 München, 1848 und 1860

1848 erleichterte der Landtagsbeschluss zur Versammlungsfreiheit die Gründung von Vereinen. Es entstanden viele Vereine wie z.B. der Münchner Turnverein. Ferdinand Harrasser trat 1848 in den Turnverein ein. 1849 wurde der Verein wegen ‚republikanischer Umtriebe' verboten. So ging es vielen anderen Vereinen auch. 1860 gründete sich der Verein neu. Auch Harrasser trat erneut ein und erhielt einen neuen Ausweis.

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Demonstrationsfahrt für das Frauenstimmrecht, 1912

Am 24. September 1912 fuhren die Mitglieder des Bayerischen Landesvereins für Frauenstimmrecht mit Kutschen durch München, um für das Frauenwahlrecht zu demonstrieren. Neben wohlwollenden Zuschauer*innen gab es auch einigen Spott. Erstmals bei den Landtagswahlen im Januar 1919 konnten dann auch Frauen in Bayern wählen.

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Erlass zum Frauenstudium im Königreich Bayern, 1903

Im 19. Jahrhundert durften Frauen im deutschsprachigen Raum nur in Ausnahmefällen an Universitäten studieren. Die Frauenbewegung setzte sich dafür ein, dass Frauen die gleichen Bildungswege und Berufe ergreifen konnten wie Männer. Am 21. September 1903 erlaubte Prinzregent Luitpold mit einem Erlass das Frauenstudium in Bayern.

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Emmy Noether, Mathematikerin, um 1910

Als eine der ersten Frauen konnte Emmy Noether (1882–1935) in Erlangen studieren und promovieren. Zuvor war es ihr nur erlaubt gewesen, als Gasthörerin an Vorlesungen teilzunehmen. Emmy Noether war die erste Frau in Deutschland, die in Mathematik habilitierte.