Vom Mietenstopp zur Artenvielfalt. Volksbegehren in Bayern nach 1945

Rauchverbot, Studiengebühren und Artenschutz: Bürger*innen können die Politik auf Landesebene entscheidend mitbestimmen. Die Bamberger Verfassung von 1919 ermöglichte zum ersten Mal Volksbegehren in Bayern. Seit der neuen Verfassung von 1946 ist Bayern das Land mit den meisten Volksbegehren. Laut Artikel 72 können sowohl der Bayerische Landtag als auch das Volk Gesetze beschließen. Bürger*nnen können in einem Volksbegehren einen Gesetzesvorschlag mit ihrer Unterschrift unterstützen. Bei mindestens 25.000 Unterschriften prüfen die Abgeordneten des Landtags den Vorschlag. Stimmt der Landtag dem Vorschlag zu, wird ein neues Gesetz erarbeitet und verabschiedet. Lehnt der Landtag aber ab, so bleibt den Bürger*innen noch die Möglichkeit des Volksentscheids. Innerhalb von zwei Wochen müssen mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigen für den Entscheid unterschreiben, damit er zustande kommt.

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Flugblatt der CSU für Gemeinschaftsschulen, 1967

Das Flugblatt warb für die Gemeinschaftsschule. Noch sollten evangelische, katholische und nicht-christliche Kinder getrennt lernen, was zunehmend in Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität stand. 1967 erarbeiteten CSU und SPD jeweils eigene Gesetzesentwürfe. Die Bürger*innen stimmten beim Volksbegehren 1968 für einen gemeinsamen Kompromissvorschlag der Parteien und für die Gemeinschaftsschule.

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Hildegard Hamm-Brücher (Mitte) sammelt Unterschriften für die Gemeinschaftsschule, 1966

September 1966: Die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher engagierte sich für die Einführung der Gemeinschaftsschule und warb aktiv für das Volksbegehren. Schüler*innen sollten bis dato in nach Konfessionen getrennten Schulen lernen, was faktisch in vielen kleineren Orten nicht möglich war. Das Volksbegehren blieb erfolglos, doch gab es den Anstoß zu weiteren Initiativen von CSU und SPD, die 1968 einen Volksentscheid herbeiführten.

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Demonstration in München für ein Volksbegehren, 1994

Das Volksbegehren “Mehr Demokratie in Bayern” verfolgte das Ziel, einen Bürgerentscheid auf der kommunalen Ebene einzuführen. Die Abstimmung fand im Februar 1995 statt und war erfolgreich.

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Verkleidete Aktivist*innen in München, 2019

Bienensummen auf dem Münchner Odeonsplatz: Unterstützer*innen der Artenvielfalt in Bayern feierten. 18,4 % der Bürger*innen unterschrieben 2019 für das Volksbegehren Artenschutz - „Rettet die Bienen“, mit dem Ziel Tiere und Pflanzen stärker zu schützen. Das Ergebnis war das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns.

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Warteschlange auf dem Münchner Marienplatz, 2013

Bürger*innen warteten in langen Schlangen, um sich in Unterschriftenlisten für ein Volksbegehren im Jahr 2013 einzutragen. Sie forderten die Abschaffung der Studiengebühren. Mehr als die nötigen 10 % der Wahlberechtigten unterschrieben und so kam es zum Volksentscheid.

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“#6 Jahre Mietenstopp”: Protest-Wohnzimmer in der Fußgängerzone, 2020

Die Aktivist*innen warben mit dem Protest-Wohnzimmer in der Münchner Fußgängerzone für das Volksbegehren “#6 Jahre Mietenstopp”. Sie forderten, dass die Mieten sechs Jahre gleichbleiben. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte das Begehren für ungültig, da Mietrecht Aufgabe des Bundes sei.

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Abendschau des Bayerischen Rundfunks über das Volksbegehren Nichtraucherschutz, 2010

2010 stimmten die Bürger*innen über das Volksbegehren Nichtraucherschutz ab. Der Gesetzentwurf verbot Rauchen in Kneipen, Bierzelten und Nebenräumen von Gaststätten. Gegner*innen forderten die freie Entscheidung der Wirt*innen. Befürworter*innen wiesen auf die Gesundheitsrisiken bei (Passiv-)Rauchen hin.  Das Volksbegehren hatte Erfolg.